Silikone in der Kosmetik - so schlecht wie ihr Ruf?

Silikone sind in der Kosmetikindustrie weit verbreitet und werden in einer Vielzahl von Produkten wie Shampoos, Conditionern, Hautcremes und Make-up verwendet. Doch sie sind in den letzten Jahren aufgrund einiger Bedenken in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen und ihre Auswirkungen auf die Haut in die Kritik geraten sind.

  • Man sagt ihnen nach, sie seien unnatürlich, lassen die Haut nicht atmen, verstopfen die Poren und versiegeln die Haare.
  • Außerdem zählen sie als Mikroplastik, sind schlecht biologisch abbaubar und generell ist Silikon schädlich für die Umwelt.
  • Man verwendet sie in der Kosmetik nur, weil sie billig sind und Haut und Haar nur schöner erscheinen lassen.

Da sind sich alle einig ...     ...    ... oder?

Warum eigentlich?

Ist es am Ende vielleicht gar nicht so?

Sehen wir uns das Thema genauer an, um das sich so viele Mythen ranken:

Was sind Silikone?

The Cosmetic Chemist | chegos.pl

Grundstruktur von Polydimethylsiloxan - ein Silikonöl (INCI: Dimethicone)

 

Silikone sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die aus Silizium (Si), Sauerstoff (O), Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) bestehen. Anders als Kohlenwasserstoffe basiert ihr Grundgerüst also nicht auf Kohlenstoff, sondern auf Silizium und Sauerstoff. Das bringt ihnen ganz andere Eigenschaften als Kohlenwasserstoffverbindungen (wie zB. Pflanzenöle, Paraffin oder Bienenwachs).

Silizium ist das häufigste Element in der Erdkruste. Der Nachschub davon wird uns also nicht so schnell ausgehen. Man findet es beispielsweise in Quarzsand und daraus wird uA. auch Glas hergestellt. Dazu muss man den Sand nur schmelzen.

Bei der Silikonherstellung ist es nicht so einfach: Es benötigt mehrere unterschiedliche chemische Verfahren, um ein Silikonprodukt herzustellen:

  • Gewinnung von Silizium
  • Reaktion von Silizium mit Salzsäure
  • Hydrolyse
  • Kondensation
  • Polymerisation
  • Vernetzung (zB. bei Silikonelastomeren, Polysilikonen und Silikonharzen)

Diese Schritte sind durchaus aufwendig und benötigen auch eine Menge Energie. Mehr als beispielsweise Mandelöl aus den Kernen zu pressen. Das macht Silikone zu sehr speziellen und auch teuren Rohstoffen.

Silikone sind also kein billiger Ersatz für pflanzliche Öle

Man darf jedoch nicht vergessen, dass sie hauptsächlich auch im Baubereich, im Technikbereich, oder auch in der Küche (Kuchenform) landen. Verglichen damit landet eine geringe Menge an Silikonmaterialien in der Kosmetik.

Auch sind sie eine riesige Stoffgruppe und nicht immer miteinander zu vergleichen. Es gibt unterschiedlichste Gruppen von Silikonstoffen. zB.:

  • Silikonöle
  • Silikonelastomere (Silikongummi)
  • Silikonpuder
  • Silikonharze
  • Silikonemulgatoren (hydrophile Silikone)
  • chemisch modifizierte Silikone (zB. Aminosilikonöle in der Haarpflege)

Dennoch wollen wir uns ansehen, was diese Stoffgruppe im Allgemeinen für Besonderheiten hat.

Vorteile von Silikonen

Silikon ist ein Material, das sehr stabil ist. In der Chemie spricht man von "inert". Das bedeutet, es reagiert nicht mit anderen Chemikalien. Inerte Stoffe haben die Eigenschaft, dass sie nicht giftig sind - sie reagieren auch in unserem Körper mit nichts und können somit auch nichts anrichten. Silikone die für die Kosmetik, oder auch in der Medizin verwendet werden, haben außerdem einen hohen Reinheitsgrad, da sie aufwendig aufgereinigt werden. Aus diesem Grund ergibt sich:

Silikone sind außerordentlich hautverträglich

Sie haben keinerlei Allergiepotential, im Gegensatz zu natürlichen Stoffen (in der Natur gibt es immer etwas, was jemand nicht vertragen kann). Daher werden sie oft auch in medizinischen Zubereitungen, Wundpflastern oder in Gleitmitteln verwendet, die mit Schleimhäuten in Berührung kommen.

Durch ihre spezielle, auf Silizium basierende Struktur haben Silikone weitere besondere Eigenschaften. Man kann sie sich tatsächlich ein bisschen vorstellen wie flüssiges, oder elastisches Glas. Daher sind sie temperaturstabil und wasserabweisend. Sie werden auch gerne in Beschichtungsmitteln oder, wie erwähnt, in der Küche verwendet (zB. als Kuchenform).

Doch eine weitere Eigenschaft macht sie sehr besonders: So robust sie auch sind, sie sind dennoch luftdurchlässig. Dies liegt in ihrer speziellen, flexiblen, sauerstoffhaltigen Molekülstruktur. Diese Charakteristik ist durchaus auch in der Kosmetik interessant. Silikonöle können zB. für spezielle Schutzcremen gegen Nässe, oder Kälte verwendet werden. Sie schützen die Haut dabei besser als Öle oder Wachse, doch lassen die Haut dabei atmen. So wird die Haut vor Feuchtigkeitsverlust und Umwelteinflüssen bewahrt. Entgegen aller Behauptungen, Silikone wirken stark okklusiv, ist das Gegenteil der Fall:

Silikone sind atmungsaktiv und verstopfen die Poren nicht

Ihre überragende Schutzwirkung ist sogar so ausgeprägt, dass bestimmtee Silikonöle (Dimethicone) in den USA von der FDA (Arzneimittelbehörde) als Wirkstoff für den Hautschutz und zur Regeneration eingestuft wurden.

Warum werden Silikone in der Kosmetik verwendet?

Ihre Leichtigkeit macht sie interessant für Produkte für fettige oder unreine Haut sowie in dekorativer Kosmetik. Sie besitzen keinerlei komedogenes Potential und fühlen sich dabei oft viel leichter an, als Pflanzenöle oder Esteröle. Es gibt sogar volatile Silikonöle, also welche die auf der Haut verdunsten - leichter gehts nicht!

Neben dieser Vorteile werden Silikone aber vor allem aus einem Grund eingesetzt:

Silikone erzeugen ein überragendes Hautgefühl

Auch dies lässt sich aufgrund ihrer chemischen Struktur begründen. Ihre Molekülketten sind viel flexibler und beweglicher als Kohlenwasserstoffketten. Außerdem besitzen sie eine geringere Dichte, sind also tatsächlich leichter (von Gewicht her) als die meisten Öle. Im Hautgefühl zeigt sich das in einem  federleichten, seidigen Hautgefühl und einer sehr geringen Fettung. Dabei erzeugen sie einen sehr glatten, gleitfähigen Film. Hier gilt jedoch wieder: Es gibt unterschiedlichste Silikontypen - also reichhaltigere und leichtere.

Dies macht sie so interessant in der Haarpflege. Sie umhüllen die Haarfaser, schützen die Schuppenschicht vor Reibung, machen das Haar kämmbar und erzeugen brillanten Glanz.

Silikone sind extrem hydrophob (wasserunlöslich). Aufgrund ihrer wasserabweisenden Fähigkeit können Sie das Haar vor Feuchtigkeit schützen. Selbst kleinste Menge in einem Shampoo, oder in einem Conditioner haften sehr gut am Haar. Das liegt daran, dass sie sich lieber am Haar festheften, als im Wasser gelöst zu bleiben - das mögen sie nämlich gar nicht. Das hat aber auch zur Folge:

Silikone reichern sich im Haar an und sorgen für einen Build-Up-Effekt

Dies ist also eines der Gerüchte, das der Wahrheit entspricht. Es gilt also silikonhaltige Produkte mit bedacht einsetzten. Wenn sich ein Build-Up-Effekt einstellt, sollte man ein tiefenreinigendes Shampoo verwenden, oder den Conditioner vielleicht ein- bis zweimal- auslassen. So wird der Silikonfilm nicht zu schwer und die Vorteile überwiegen.

Tatsächlich kommt der schlechte Ruf von Silikonen vermutlich sogar aus dieser Ecke: Es gab früher ein 2-1-Shampoo auf dem Markt, welches es wohl ein bisschen mit der Pflegewirkung übertrieben hatte und zu viel Silikon enthielt. Die Haare wurden mit der Zeit so sehr versiegelt, dass Friseure sich beschwerten, dass die Farb-, oder die Dauerwellenprodukte nicht mehr so gut wirkten. Dieser Makel wurde dann wohl auch auf die Hautpflege übertragen und es verbreitete sich der Mythos, Silikone hätten einen abdichtenden Effekt. Wir wissen jetzt jedoch schon, dass das Gegenteil der Fall ist.

Ein weiterer Aspekt den Silikonöle gemeinsam haben ist:

Silikone haben eine geringe Oberflächenspannung

Das bedeutet sie sind sehr fließfähig und spreiten sehr gut. Dies ist auch der Grund, warum sie in technischen Bereichen als Schmiermittel verwendet werden. Sie gleiten sehr gut und kriechen in kleinste Zwischenräume.

In der Kosmetik können wir uns das zunutze machen, weil sie sehr gut auf der Haut spreiten und dafür sorgen, dass Produkte sich mühelos auftragen lassen. Selbst bei kleinen Einsatzkonzentrationen entfalten sie ihre Wirkung. Die geringe Oberflächenspannung führt auch dazu, dass Silikone entschäumend wirken. Sie können sich leicht über eine Flüssigkeit ausbreiten und eine dünne Schicht an ihrer der Oberfläche bilden. Wenn Silikone in eine schaumige Flüssigkeit gelangen, verteilen sie sich auf den Schaumblasen und brechen diese aufgrund ihrer niedrigen Oberflächenspannung auf. Dadurch wird der Schaum reduziert und die Flüssigkeit entfaltet ihre entschäumende Wirkung.

Diesen Effekt nutzt man gezielt in Emulsionen, um das "Weißeln" beim Auftrag zu verhindern. Das Phänomen des Weißelns ist nämlich nichts anderes als der Emulgator im Produkt, der sich beim Auftragen auf die Haut mit Luft vermischt und kurz aufschäumt. Schon eine kleine Zugabe eines Silikonöls zur Formulierung eliminiert diesen Effekt komplett!

Löslichkeit von Silikonölen

Silikonöle sind übrigens aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen Struktur, Oberflächenspannung und Polarität mitunter schwer löslich und mischbar in kohlenwasserstoffbasierten Ölen. Silikone stellen also in einer kosmetischen Formulierung, neben der Wasser- und der Ölphase, quasi eine dritte Phase dar. Jedoch lassen sie sich teilweise, mit bestimmten kosmetischen Ölen und Emulgatoren verarbeiten. Auch gibt es spezielle, modifizierte Silikonrohstoffe, die sehr wohl mit Wasser (Silikonemulgatoren) oder Kohlenwasserstoffen (Organosilikone) mischbar sind, respektive eine Mischbarkeit ermöglichen. Werden kompatible Öle und Silikonöle gemeinsam eingesetzt, integrieren sich Silikone sehr wohl in der Ölphase und könne diese mit ihren speziellen Eigenschaften sinnvoll ergänzen.

Silikone in der Umwelt

Uns selbst schaden sie also schonmal nicht, aber wie sieht es mit Silikonen in der Umwelt aus?

Silikone sind, wie bereits erwähnt, sehr inert. Sie reagieren also schlecht mit anderen Dingen und können auch nicht von Bakterien verstoffwechselt werden. Das hat zur Folge:

Silikone sind nicht biologisch abbaubar...

 

... aber was bedeutet denn "biologisch Abbaubar" überhaupt?

"Biologisch abbaubar" ist nicht generell das Gleiche wie "abbaubar". Es meint viel mehr die Tatsache, dass ein Stoff von Mikroorganismen zerkleinert und verstoffwechselt werden kann. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch andere Wege gibt, wie ein Stoff abgebaut werden kann - zB. chemisch oder durch UV-Strahlung.

Tatsächlich gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass Silikone in der Atmosphäre von Sonnenlicht abgebaut werden können, in ihre kleinsten Bestandteile:

  • Siliziumdioxid (Sand)
  • CO2
  • und Wasser

Also keine Stoffe die nicht auch in der Natur vorkämen. Das Gleiche gilt für das Erdreich. Durch Druck und natürlich vorkommenden sauren Tonerden, werden Silikone ebenfalls in ihre Bestandteile aufgespalten. Dies geschieht jedoch nicht von heute auf morgen. Wärend Stoffe die als "leicht biologisch abbaubar" gelten innerhalb von 30 Tagen zu einem Großteil abbgebaut werden, dauert das bei einem Silikon schonmal 2 Jahre - nur zum Vergleich.

Jedoch wichtig ist bei einem Stoff ja nicht nur die rasche Abbaubarkeit, sondern auch seine Umweltverträglichkeit. Und dies haben wir bereits erwähnt - Silikone sind völlig harmlos und können nichts Böses anrichten - sie sind weder giftig für die Umwelt, noch in Gewässern. Hier empfiehlt sich wieder der Vergleich mit Glas: Es baut sich zwar nur langsam ab, aber wir kämen auch nicht auf die Idee, dass ein Stück Glas im Wald den Boden vergiftet.

Daher ist Silikon auch nicht mit Plastik (Kohlenwasserstoff-Kunststoff) zu vergleichen (die chemische Grundstruktur ist ja schon eine ganz andere), welches sich in kleinste Teile abbaut und sich in der Umwelt sowie in Organismen anreichern kann. Außerdem brauchen kohlenwasserstoffbasierte Kunststoffe mitunter tausende Jahre um abgebaut zu werden.

Silikon ist kein Plastik und steht daher nicht in der Mikroplastik-Debatte

Silikone im Wasser

Etwas Ähnliches gilt für das Abwasser. Waschen wir ein silikonhaltiges Produkt von unserer Haut, landet es erstmal im Abfluss, im Abwasser und damit früher oder später in der Kläranlage. Dadurch das es sehr hydrophob ist, kann es leicht aus dem Wasser gefiltert werden, weil es lieber im Filter hängen bleibt als im Wasser.

Nach der Wasserreinigung wird der Klärschlamm getrocknet und in der Müllverbrennungsanlage verbrannt. Bei diesem Prozess entsteht aus dem Silikon, wiederum Siliziumdioxid (Sand), welcher selbstverständlich nicht verbrennen kann. Hier kann es also tatsächlich dazu kommen, dass der Sand in der Turbine der Anlage zu einem Sandstrahlartigen Effekt führt, was zu Schäden führen kann.

Silikone können ein Problem in der Müllverbrennungsanlage darstellen

Giftige Stoffe hinterlässt es jedoch auch beim Verbrennen nicht (natürlich gibt es wieder Ausnahmen bei speziell modifizierten Silikonen). Silikone sind also per se kein Problem für die Umwelt. Mit Ausnahme ihrer energieintensiven Herstellung und etwaigen technischen Probleme in der Müllwirtschaft, gibt es keine großen, diesbezüglichen Bedenken.

Alles in allem sind Silikone Performance-Rohstoffe mit speziellen Eigenschaften, die in der Kosmetik nicht einfach von anderen Substanzen ersetzt werden können. Es ist sicher nicht immer notwendig einen Silikonrohstoff in einem Kosmetikprodukt zu integrieren, doch gibt es Fälle wo dies durchaus sinnvoll ist. Und dann dann ist es gut zu wissen dass man keine Angst vor ihnen zu haben braucht.

Im Gegenteil ...